Angst, Aggression und Stress beim Hund: Verhaltenstherapie statt Training

Verhaltenstherapie ist individuell.
Es klingt so schön einfach: Hundetraining, Hundeerziehung oder Verhaltensberatung reduziert auf eine Methode, die immer funktioniert, alle Probleme löst und sich an dem Hund orientiert. Der Hund ist aber kein Roboter oder ein anders technisches Gerät, sondern wie alle Säugetiere ein komplexes Lebewesen. Jeder Hund ist einzigartig. Jeder Hundehalter ist einzigartig. Und beide leben in einem einzigartigen Umfeld und sind unter einzigartigen Bedingungen aufgewachsen.

Hundeverhalten: Jeder lebt sein eigenes Leben

Jedes Lebewesen erlebt und bewertet seine Umwelt anders und sammelt individuelle Erfahrungen. Deshalb hat jeder Hund und jeder Mensch ein individuelles Gehirn – abgestimmt auf das eigene Leben. Selbst eineiige Zwillinge, die unter identischen Bedingungen aufwachsen, haben keine identischen Gehirne.

Die Umwelt verursacht Angst, Aggression und Stress

Hunde und Menschen sind Unikate. Deshalb kann es kein allgemeingültiges Rezept, keine auf jeden Hund passende Methode geben. Verhalten ist ein vielschichtiger, komplexer und ganz individueller Prozess – das Ergebnis von Genetik, Erfahrungen und Umwelt. Es ist die Umwelt, die Konfliktverhalten wie Aggressivität, Angst, Stress, Zwangsstörungen oder Hyperaktivität verursacht. Nur in wenigen Fällen ist ein Hund wirklich krank oder gestört.

  • Die häufigsten Gründe für Konfliktverhalten:
    – Erwartungshaltungen des Menschen
    – Umwelt und Lebensbedingungen
    – Trainingsmethoden und Erziehung
    – Kommunikation

Aggression und Angst sind Emotionen, die bestimmte Verhaltensweisen auslösen. Sie sind in den meisten Fällen keine Krankheit, die man mit einem bestimmten Medikament oder einer universellen Behandlung heilen kann. Es braucht immer individuelle Lösungen für den jeweiligen Hund und den jeweiligen Halter in der jeweiligen Umgebung.

Verhaltenstherapie fragt nach den Ursachen.
Herkömmliche Ansätze in der Arbeit mit Hunden zielen oft darauf ab, den Hund passend zu machen, ihm Verhaltensweisen anzutrainieren oder schlimmstenfalls abzurichten und gefügig zu machen. Dabei kümmern sich viele Hundetrainer oder Verhaltensberater vor allem um die für uns unangenehmen Auswirkungen und versuchen, Symptome wie Beißen, Zerstören oder Bellen abzustellen.

Verhalten: Die Spitze des Eisberges

Das ist leider zu kurz gedacht. Denn Verhalten hat Ursachen, es wird durch Erfahrungen beeinflusst, durch bestimmte Faktoren ausgelöst und kehrt immer wieder, wenn es ein bestimmtes Bedürfnis erfüllt (zum Beispiel Sicherheit oder Abstand).

Verhalten beginnt lange bevor wir es sehen können: mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Auslösern, mit Emotionen, physiologischen Prozessen und kleinen Verhaltensveränderungen. Was wir sehen, wenn der Hund bellt oder beißt, ist nur das Ende der Fahnenstange oder die Spitze des Eisberges.

Aggression, Angst, Stress und Hyperaktivität verstehen

Selbst das beste Training mit ausschließlich positiver Verstärkung ist nur Kosmetik, wenn es um Konfliktverhalten wie Aggressivität, Hyperaktivität, Angst-, Stress- oder Zwangsverhalten geht. Wir müssen erkennen und verstehen, WARUM sich ein Hund so verhält, nur dann können wir nachhaltige Veränderungen erreichen und problematisches Verhalten heilen.

Verhaltenstherapie fragt nach den Bedürfnissen.
Hunde wollen Angenehmes erreichen und Unangenehmes vermeiden. Verhalten dient dazu, herauszufinden, wie ein Bedürfnis erfüllt werden kann. Die Frage ist also: Was braucht der Hund in einer bestimmten Situation? Nur wenn wir die Motivation verstehen, können wir damit beginnen, die Umwelt zu verändern und mit der Therapie beginnen.

Futter passt nicht immer zum Bedürfnis

Einem Hund, der sich bedroht fühlt, wird es im ersten Schritt nicht helfen, sich hinzusetzen oder auf seine Decke zu legen – selbst dann nicht, wenn er dafür belohnt wird. Futter passt nicht in jeder Situation zum Bedürfnis des Hundes.

Man kann einen Hund einschüchtern, erschrecken oder auch beibringen, wegzusehen, sich hinzusetzen oder auf seinen Platz legen: das ändert aber nichts an der Gründen für sein Verhalten. Er wird bestimmte Situation trotzdem weiter als bedrohlich, störend oder stressend einschätzen, die negativen Emotionen bleiben, selbst wenn wir es mit gutem Training schaffen, das aus unserer Sicht unerwünschte Verhalten zu unterdrücken.

Hundeerziehung: Hilfe statt Verhalten bekämpfen

Es ist wichtig, einem aggressiven, ängstlichen oder gestressten Hund zu helfen, statt gegen ihn zu arbeiten und Verhalten zu bekämpfen. Denn in der Welt des Hundes gibt es kein unerwünschtes Verhalten, er handelt aus seiner  Sicht immer biologisch sinnvoll und angemessen. Deshalb müssen zunächst die Ursachen gefunden und die Bedürfnisse des Hundes verstanden werden – das ist die Voraussetzung für den zweiten Schritt: Verhalten zu verändern oder zu ersetzen.

Verhaltenstherapie ist wissenschaftlich fundiert.
Wie schön war noch die Zeit, als wir Hunde mit einfachen Schablonen erklären konnten und uns darauf verlassen haben, was wir an gefangenen Hunden und Wölfen beobachtet haben. Rudel, Rang, Hierarchie, Unterwerfung, Gehorsam, Dominanz, Anführer, Alpha – leider halten sich diese Mythen und Märchen bis heute, obwohl sie lange widerlegt sind.

Kooperation ist das Wesen von Wolf und Hund

Die daraus oft resultierenden – angeblich tierorientierten Methoden – beinhalten oft Strafen, Schreckreize, körperliches „Arbeiten“ und andere konfrontative Maßnahmen. Dabei ist mittlerweile klar: Kooperation ist das Wesen des Hundes (und übrigens auch des freilebenden Wolfes), im Zusammenleben geht es um Kompetenzen, nicht darum, wer sich groß aufspielt, aber unfähig ist, das gemeinsame Leben zu organisieren. Blender und Möchtegerns haben im Hundeleben keine Chance auf Anerkennung. Stattdessen machen konfrontative Maßnahmen die Situation noch schlimmer und gefährlicher.

Voraussetzung für das korrekte Verständnis von Hunden und ihrem Verhalten sind gesicherte Fakten, wissenschaftliche Erkenntnisse und objektive Kriterien – auch wenn es manchmal komplizierter ist, als einfache Erklärungen und Rudelmodelle.

Hundeverhaltenstherapie: Wissen schafft Sicherheit

Die Verhaltenstherapie basiert auf fundierten Kenntnissen der Verhaltensbiologie (Ethologie), Genetik und Biologie, sie berücksichtigt individuelle Bedürfnisse, Lebensumfeld, Rasse, Motivation, physiologische Prozesse, Emotionen und Lernverhalten und findet mit der wissenschaftlichen Verhaltensanalyse Antworten auf die entscheidenden Fragen.

Wenn wir unseren Hund und sein Verhalten verstehen, sehen wir ihn mit anderen Augen, wir verändern unsere Sicht und dadurch auch unser Verhalten ihm gegenüber. Auch das sorgt für eine Verhaltensänderung des Hundes.

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